Saw: Spiral

Totgesagte leben länger! Wer hätte gedacht, dass Lionsgate die altersschwache SAW-Reihe nach dem 2010 erschienenen siebten Schnetzelableger SAW 3D – VOLLENDUNG bereits 2017 mit JIGSAW zurück in die Kinosäle defibrilliert. Da der Kassensturz ein solides Einspielergebnis ausspuckte, wurde jahrelang hinter verschlossenen Türen an einem potenten Nachfolger getüftelt. Der sollte durch die Involvierung von US-Komiker CHRIS ROCK frisches Blut in den Franchise-Kreislauf pumpen. Nach mehrfacher Verschiebung ist nun SAW: SPIRAL auch in den deutschen Lichtspielhäusern angelaufen; und zeigt eindrucksvoll, wie ein Franchise am eigenen Erbe scheitern kann.

Nachdem sich Detective Ezekiel Banks (CHRIS ROCK) durch eigenwilliges Handeln immer mehr Kredit bei seiner Vorgesetzten und den Polizeikollegen verspielte, bekommt der zynische Einzelgänger einen Frischling von der Polizeiakademie als Partner zwangszugeteilt. Als zeitgleich eine zerfetzte Leiche in einem U-Bahn-Schacht gefunden wird, nehmen die beiden ungleichen Kollegen die Arbeit auf. Dabei stoßen sie auf ein Geheimnis der Stadt, dass lange Zeit begraben geglaubt schien.

AUSGETRETENE PFADE

Das SAW-Franchise hatte noch nie den Ruf, inhaltlich wie dramaturgisch mit raffinierten oder innovativen Kniffen zu arbeiten. Bereits JAMES WANs Pionierarbeit mit SAW 2004 markierte deutlich die blutig-voyeuristische Marschroute, auf der sich sündhafte Menschen in die pseudo-dilemmatischen „Spiele“ des menschenfeindlichen Masterminds Jigsaw (acht Mal porträtiert von TOBIN BELL) verirren. Jahrelang fuhren die Produzenten mit dem simplen „Gorehound“-Konzept (die Publikumsvorliebe für möglichst brutale Gewaltdarstellungen in Horrorfilmen) solide Einspielergebnisse ein. Doch die ohnehin dünne Geschichte um Jigsaw und seine Erben verstrickte sich mit jedem Ableger in immer mehr Widersprüchen. Auch die Kreativität der Spiele sowie Fallen nahm mit jedem umgebauten Industrielagerraum merklich ab. Ein neuer Ansatz musste her – und ausgerechnet ein US-Komiker sollte ihn liefern.

EIN VIELVERSPRECHENDER ANSATZ

CHRIS ROCK hat sich neben seiner jahrelangen Bühnenpräsenz in Stand-Up-Clubs auch auf den Bildschirmen einen Namen gemach. Ob durch die pseudobiografische Comedy-Serie ALLE HASSEN CHRIS oder Klamaukkino wie KINDSKÖPFE. Der Schauspieler outete sich als Franchise-Fan und legte den Studiobossen einige Ideen für eine Neuausrichtung der Geschichte vor. Die erneut engagierten Autoren des Vorgängers griffen hier dankbar zu. Eine Geschichte um einen abgekämpften Polizisten, der sowohl an der unverblümten Korruption seines eigenen Berufsstands als auch dem alles überschattenden Erbe seinen Vaters und verdienten Polizeiveteranen (SAMUEL L. JACKSON) zerbrochen ist.

GUT GEDACHT, SCHLECHT GEMACHT

SAW: SPIRAL orientiert sich mit diesem „Broken Cop“-Ansatz merklich an Kriminalfilmen wie SIEBEN oder LETHAL WEAPON, was sich auf dem Papier tatsächlich nach einer erfrischenden Neuausrichtung, weg vom Folterhorror-Genre, liest. Nach dem ersten halbwegs spannenden Filmdrittel offenbart das Drehbuch jedoch fatale Probleme, die einen Funkensprung im Keim ersticken. Eine gehetzt inszenierte Schnitzeljagd durch die Stadt lassen keinerlei Raum für Spannungsaufbau geschweige denn Thrill. Die monoton eingesprochenen Rätsel des Jigsaw-Nachahmers wirken erschreckend banal und regen nie zum Mitgrübeln an. Detective Banks bekommt eine stereotypische Hintergrundgeschichte spendiert, die zu keinem Zeitpunkt emotional oder dramaturgisch zu packen weiß. Hinzu kommt ein dermaßen outriertes Schauspiel von CHRIS ROCK, dessen innere Zerrissenheit sich zwischen trotzig verengten Augen und unpassend platzierten Witzen verliert.

ALTBEWÄHRTES ZUM TROST

SAW: SPIRAL hat seinen Wurzeln jedoch nicht vollständig abgeschworen, weshalb Regisseur und SAW-Veteran DARREN LYNN BOUSMAN die kriminalistische Stadtrallye immer wieder durch düster-blutige Folterspielereien unterbricht– zum Glück! Zwar bleiben die Setdesigner der Megalomanie für maximal schmerzhafte Quälmaschinen ihrer Vorgänger treu; wissen Schaulustige aber durch rabiate wie intensive Darstellungen etwa einzeln abgerissener Finger zu unterhalten. Getrübt wird der Schnetzelspaß jedoch durch den schleierhaften Wechsel zwischen praktischen Effekten und CGI. Letztere sehen für einen Horrorfilm dieser Budgetklasse zudem erschreckend billig aus.

FAZIT:

SAW: SPIRAL ist mit dem Vorsatz in die Produktion gestartet, dem ausgetretenen Folterfranchise frisches Blut in die Adern zu pumpen. Dieses ambitionierte Ziel zerschlägt sich jedoch bereits nach dem ersten Filmdrittel. Die ohnehin dünnen filmischen Fäden lösen sich in einem Strudel aus platten Kriminalstereotypen, peinlichem Overacting und billigen CGI-Effekten vollständig auf. So holen die Macher weder altgediente Fans noch Frischlinge ab. Zu hoffen bleibt nun nur, dass die Produzenten endlich von diesem totgerittenen Pferd absteigen und etwas wirklich Neues angehen.

Titel: Saw: Spiral (OT: Spiral: From the Book of Saw)
Regie: Darren Lynn Bousman
Darsteller: Chris Rock, Samuel L. Jackson, Max Minghella, Marisol Nichols
Drehbuch: Josh Stolberg, Pete Goldfinger
Laufzeit: 1h33m

Veröffentlichung: 16.09.2021 (Kinostart)
Quelle: imdb.com

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