BAY IS BACK! Mit AMBULANCE kredenzt uns der „Master of Ka-Boom“ MICHAEL BAY sein neuestes Leinwandspektakel – und wird seinem Ruf auf unterhaltsamste Weise gerecht.
WORUM GEHT ES IN AMBULANCE?
Der ehemalige Soldat Will (YAYHA ABDUL-MATEEN II) weiß nicht mehr weiter. Er hangelt sich von einem Gelegenheitsjob zum anderen, kann so aber seine kleine Familie kaum ernähren. Zudem leidet seine Frau unter einer schweren Krebserkrankung, deren Behandlung jedoch aktuell unbezahlbar erscheint. So nimmt er widerwillig Kontakt zu seinem exzentrischen Stiefbruder Danny (JAKE GYLLENHAAL), der sich durch kriminelle Geschäfte ein luxuriöses Leben aufgebaut hat. Doch dann macht er Will einen Vorschlag: Wenn er ihm als Fluchtfahrer für einen großen Bankraub aushilft, kann Will sich mit der Beute eine komplett neue Existenz aufbauen. Der Ex-Soldat stimmt widerwillig zu. Doch der Überfall läuft nicht wie geplant und so müssen die beiden Brüder notdürftig mit einem Krankenwagen vor Polizei und FBI flüchten – inklusive eines angeschossenen Polizisten und einer resoluten Notfallsanitäterin (EIZA GONZALEZ).
DÄNEMARK GOES HOLLYWOOD
Man liebt oder hasst sie. MICHAEL BAYs Filme sorgen seit jeher für eine Spaltung der Filmcommunity. Dabei muss man jedoch feststellen, dass Bay sich über den langen Verlauf seiner Karriere stets treu geblieben ist. Seit fast 30 Jahren kreiert er mit Vorliebe Hochglanz-Action für die große Leinwand, gespickt mit überbordendem Patriotismus und Explosionen an jeder Ecke. Mit AMBULANCE adaptiert Bay den dänischen Banditenkrimi AMBULANCEN, dessen erzählerischer Kern um zwei ungleiche Brüder auch in das Remake überfließt.
Will wuchs neben Danny als Adoptivbruder auf, jedoch litten beide unter den kriminellen Machenschaften ihres Vaters. Will brach aus diesem Umfeld aus, indem er der Armee beitrat und Danny im Verbrechermilieu zurückließ. Auf diesem familiären Grundkonflikt baut Autor CHRIS FEDAK sein Skript auf. In jedem Gespräch der beiden schwingen die Vorwürfe der Vergangenheit mit, die Zeiten bedingungslosen Vertrauens sind längst passé. Im Gegensatz zur dänischen Vorlage setzt Fedak jedoch weniger auf ein unterschwelliges Gebrüderdrama, sondern haut dem Zuschauer den Konflikt, mit ordentlich überdramatisiertem Pathos aufgeladen, um die Ohren.
BAY AUF SPEED
AMBULANCE nutzt Wills Familiendrama als Aufhänger, um die Geschichte in Fahrt zu bringen. Und wenn der Krankenwagen erstmal losrast, wird er so schnell nicht anhalten. Bay inszeniert die Gangsterflucht in feinster SPEED-Manier quer durch Los Angeles und lässt keinen Stein auf dem anderen. Mülltonnen und Verkehrsschilder fliegen durch die Gegend, Hausfassaden bröckeln unter einschlagender Gewehrmunition und Autos explodieren an allen Ecken. Doch der Fluchtkrankenwagen brettert kompromisslos durch jede Barrikade, ohne CGI-Schnickschnack und jeder Menge „good old practicals“.
Rasante Kamerafahrten und Schnitte sorgen für ein enormes Tempo, das fast über gesamte Laufzeit mit immer wahnwitzigeren Manövern gehalten wird. Was jedoch direkt ins Auge springt, ist Bays neueste Spielerei: Kameradrohnen. Als würde man in einer wildgewordenen Achterbahn sitzen, dreht die Kamera absurde Kurven und Schlenker um Hochhäuser, nur um im nächsten Moment im senkrechten Winkel die Hauswand gen Asphalt zu rasen. Die Arbeit des „aerial director of photography“ DAVIS CLARK DILILLO ergänzt die Kameraarbeit von ROBERTO DE ANGELIS an den richtigen Stellen und treibt den Adrenalinspiegel beim Zuschauer in ungesunde Höhen.
GYLLENHAAL DREHT FREI
YAYYA ABDUL-MATEEN II kann als verzweifelter Kriegsveteran schauspielerisch nur wenig glänzen. Dafür gibt das Drehbuch, abseits von dramatischen Kameraschwenks über Schuldscheine, Krebsmedikamente und angelaufene Militärabzeichen, einfach zu wenig her. Auch der „geniale Coup“ unter Regie von Profigangster JAKE GYLLENHAAL kann ohne weiteres mit den hanebüchenen Ideen der FAST & FURIOUS-Reihe mithalten. Der Schauspieler mit den sanften Rehäuglein darf unter Bay mal richtig auf die Kacke hauen und stiehlt mit seinen Ausrastern den Kollegen die Schau. Dabei ist Gyllenhaals Figur meilenweit entfernt vom Typ eines smarten oder einschüchternden Kriminellen. Ob er schlechte Witze reißt, Menschen auf der Straße anpöbelt oder hilflos als Krankenpfleger assistiert: Alles wirkt dermaßen übertrieben, dass einem vor Lachen und Facepalming das ganze Gesicht schmerzt.
EIZA GONZALEZ als pflichtbewusste, jedoch empathielose Notfallsanitäterin bekommt noch die zugänglichste Geschichte der Drei spendiert. Direkt zu Beginn lässt uns Bay an ihrer Seite an der Rettung eines verunfallten Mädchens teilhaben, wobei seine Vorliebe für militärischen Patriotismus dieses Mal den Rettungskräften gilt. Ein interessant gesetzter Fokus, um die Arbeit der „Alltagshelden“ auch mal im Blockbusterkino in Rampenlicht zu stellen. Den Rest des Films darf sie sich jedoch um einen angeschossenen Polizisten kümmern, der dramaturgiebedingt fast die ganze Laufzeit auf einer Bahre gefesselt verbringt. Neben der Schusswunde muss der arme Streifenpolizist während Wills rasanten Fahrmanövern noch eine Zoom-navigierte Operation und (sehr wahrscheinlich) mehrere Schleudertraumata über sich ergehen lassen muss. Aber spätestens, als seine Milz (mit Ankündigung!) in einer Blutfontäne explodiert, wissen wir: Bay lässt ihn nicht sterben, sonst wäre die bisherige Handlung ja absolut unnötig gewesen. Beinah tröstlich, dieser Gedanke.
FAZIT
Saudämliche Geschichte, over-the-top Charaktere und benzinbetriebenes Krachbumm an jeder Ecke. MICHAEL BAY macht Los Angeles in AMBULANCE zu seinem persönlichen Action-Freizeitpark, dessen Regeln sich Logik wie Physik beugen müssen. Wer sich damit anfreunden kann, sein Hirn an der Kinokasse abzugeben, der erlebt eine gut zweistündige Adrenalin-Achterbahn der Blockbusterklasse.
Titel: Ambulance
Regie: Michael Bay
Besetzung: Yayha Abdul-Mateen II, Jake Gyllenhaal, Eiza Gonzalez, Garret Dillahunt, Keir O’Donnell
Drehbuch: Chris Fedak
Laufzeit: 2h16m
Veröffentlichung: 24.03.2022 (Kinostart unter Universal Pictures)
Quelle: imdb.com